Ich fahre gerne Auto. Wirklich. Naja, zumindest manchmal. Besonders gerne fahre ich mit dem Auto in Urlaub. Den Kofferraum voll laden, Brote schmieren, Kaffeekanne auffüllen und los geht’s. Man hat gut Laune, schaltet das Radio an, schiebt vielleicht eine Hör-CD rein, neben sich die Menschen, die man liebt. Das ist ein schon ein fast unschlagbar tolles Gefühl mit hohem Suchtpotenzial. In den Urlaub könnte ich mit dem Auto fast jeden Tag fahren.
Allerdings nicht unbedingt in der Ferienzeit an den ominösen Wochenenden, wenn in NRW und anderen bevölkerungsstarken Bundesländern gleichzeitig die Schulferien beginnen und man in den Autobahnübersichten des ADAC die staufreien Autobahnabschnitte suchen muss. Dann fahre ich gerne mitten in der Nacht los, was den Fahrspaß schon erheblich einschränken kann. Natürlich landet man dann doch irgendwann im Stau, meistens sogar mitten in der Nacht.
„Freude am Fahren“ heisst der Slogan von BMW. Und das hört sich gut an. Und es kennt ja auch jeder. Und es kennt auch jeder die passende Werbung dazu. Gern genommen wird ein sportliches Auto oder ein kleiner Geländewagen, der durch eine Wüste fährt und hinter sich eine beeindruckende Staubwolke herzieht oder durch einen einsamen Waldweg brettert und Elchen und Wölfen die Augen verdreht. Das ist Fahrspaß, das ist Freiheit, das ist Selbstverwirklichung. Dass schon das Drehen dieses Spots für die Wüste eine ökologische Katastrophe sein kann, sieht man nicht.
Doch wo können wir in Deutschland nach solch Fahrspaß erleben? Etwa 50 Millionen Autos gibt es in Deutschland. 50.000.000 Autos. Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich die Hälfte davon sehe, wenn ich an einem Montagmorgen nach Köln oder Düsseldorf hineinfahren will. Berufsbedingt hatte ich viele Jahre diese Freude. Ich denke, man muss kurz nach Mitternacht losfahren, um vor dem Stau durchzukommen oder gegen Mittag, um nach dem Morgenstau durchzukommen, aber Achtung, nicht zu spät, sonst erwartet einen schon wieder der Abendstau.
Baustellen und Unfälle sind dann die Krönung, die einem unvergessliche Stunden Blech an Blech bescheren können. Zu früheren Zeiten konnte man bei dem Blick aus dem Fenster zumindest noch in die Karossen der Mitfahrer blicken, ein bisschen Voyeur spielen oder einen kleinen Flirt beginnen. Mit dem immer stärker zunehmenden LKW-Verkehr sieht man bei dem Blick aus dem Seitenfenster jedoch zumeist nur noch auf riesige LKW-Räder oder die Beschriftung eines Containers.
Um noch mal auf den Urlaub zurück zu kommen. Theoretisch ist es ja z.B. auch ganz schön in den Ferien mit dem Auto über Rügen oder Sylt zu fahren, oder einmal um den Gardasee oder auf Mallorca. Herrliche Aussichten, offene Autos, gut aussehende, luftig gekleidete Menschen. So weit die Theorie. Die Praxis ist allerdings eher ein Stoßstange an Stoßstange fahren. Ist man dann nach Stunden am Ziel angekommen, beginnt die Suche nach einem Parkplatz, doch bei Tausenden von parkenden Autos, ist eine Lücke schwer zu finden. Auch schon mal probiert, einen legalen Parkplatz in Strandnähe an der holländischen Küste zu finden? Oder waren Sie so leichtsinnig, keinen ausgewiesenen Parkplatz zu finden. Dann kennen Sie ja bestimmt die holländischen Krallen.
Nein, Fahrspaß kann es nur mit weniger Autos geben. Das ist doch allen klar.
Also Herr Nachbar, aufs Auto verzichten!
Hallo, aufs Auto verzichten, weniger fahren!
Doch der Nachbar, also der gemeine Mitmensch sieht das leider nicht so recht ein. Er sagt, ich solle doch anfangen, mit gutem Beispiel vorangehen.
Was, ich soll erst mal anfangen? Warum ich? Wenn ich kein Auto mehr fahre, habe ich ja gar keinen Fahrspaß mehr.
Dafür ich umso mehr, entgegnet der Nachbar.
Aber sie haben doch sogar zwei Autos, erwidere ich und will mein eigenes, kleines Auto doch nur verteidigen.
Ja, aber das eine ist doch ein Kombi, das brauche er für die Familie und das andere ist ja ein Cabrio, das brauche er für den Sommer.
Und so ergibt sich ein klassisches Dilemma, für das die Spieltheorie entwickelt wurde. Denn die Spieltheorien kennen den Menschen und der ist in der Regel, also in der Masse an seinem eigenen Vorteil interessiert. Der Verzicht auf das eigene Auto oder zumindest eine verminderte Autonutzung spielt eindeutig dem Spielgegner in die Hände, der dann die Freude am Fahren hat, die ich nicht habe.
So weit, so schlecht, so ungerecht. Als fahre ich schon mal weiter, da habe ich zwar immer noch keinen Fahrspaß, aber er zumindest auch nicht.
Was wir lernen ist, Auto fahren ist ein Egoismus-Verstärker par excellence. Mit dem Auto erstreite ich mir meinen Platz in der Welt. Und je größer und schwer mein Auto ist, desto gewaltiger ist mein Platz in der Welt. Ich bin in meinem Leben noch keinen Hummer gefahren, aber ich denke, dass sich der Fahrer eines solchen Gefährts rein kräftemäßig einem Roller- oder Fahrradfahrer, wenn er ihn denn überhaupt sieht, schon überlegen fühlen dürfte.
Wie sagt es der Kabarettist Philipp Weber so schön: „Das Auto ist für den Deutschen immer noch das, was für den Pavian der Hintern ist. Haste den größten, der am meisten stinkt, biste der Chef.“